2 Min. Lesezeit

Wer ist hier der Chef?

Wir stehen an einer historischen Weggabelung: Wer wird künftig der Chef sein? Die Technologie oder wir? Meiner Meinung nach gibt es 2 Optionen.

  1. Wir nutzen künftig Technologie als Werkzeug, um unsere gesellschaftlichen, ökologischen und alltäglichen Herausforderungen zu lösen.
  2. Wir lullen uns immer mehr in durch Algorithmen optimierte Filterblasen ein, lassen uns dadurch bis in unsere Weltanschauung und unser Verhalten beeinflussen und werden, samt unserer Daten, durch Überwachung zum Profit genutzt.

In meinem Impulsvortrag “Future Mindset” habe ich kürzlich einen Tag aus Option 2 skizziert:

“Das smarte Implantat in deinem rechten Handrücken weckt Dich zu der für deinen Schlafrhythmus perfekten Zeit. Smartphones gibt es nicht mehr. Und leider auch keine Snooze-Funktion, das Implantat zwingt Dich aufzustehen. Du machst Dich fertig für den Tag und steigst hinten in eines der allzeit präsenten, autonomen Fahrzeuge. Die Fahrt ist für dich kostenlos, dafür werden über den Sitz augenblicklich deine biometrischen Daten erfasst. Anhand derer wird während der ganzen Fahrt auf dich zugeschnittene Werbung gezeigt. Du musst auch gar nicht bestellen, das System erkennt anhand deiner Reaktion automatisch deinen Kaufimpuls und bestellt selbstständig für dich, Same-Day-Lieferung inklusive.

Du fährst weiter zur Strandpromenade und triffst Dich mit einem alten Freund, den Du schon lange nicht mehr gesehen hast. Ihr spaziert die Promenade entlang und unterhaltet Euch über gute alte Zeiten. Dir fällt wieder mal auf, wie blitzeblank die Wege hier sind. Nicht das kleinste Stück Unrat liegt irgendwo rum. Keine Graffitis, keine Hundehaufen. Ist aber auch kein Wunder, denn der öffentliche Raum ist komplett videoüberwacht und jedes Fehlverhalten wird sofort und automatisch geahndet. Du verabschiedest Deinen Freund und schlenderst ins Büro.

Dein smartes Implantat registriert, dass Dein Energielevel noch nicht hoch genug ist, um heute auf der Arbeit gut zu performen, und aktiviert selbstständig eine Power-Playlist mit energetischen Beats. An deinem Schreibtisch angekommen beginnt der Timetracking-Bot, deine Zeit zu messen, Pausen und Ablenkungen werden automatisch abgezogen. Doch dann hast du plötzlich so ein komisches Gefühl. Du fühlst Dich den ganzen Dingen hier so ausgeliefert, kannst selbst kaum mehr Entscheidungen treffen und es ärgert Dich, dass Du keine Privatsphäre mehr hast. Dein Smart-Implantat registriert das natürlich sofort und wechselt die Playlist zu deinen Lieblingsstücken, was dich ablenkt und sofort auf andere Gedanken bringt.

Kurze Zeit später beginnt das Implantat rot zu leuchten. Du reißt die Augen, weil Du weißt, was das bedeutet: Dein Social Score, deine gesellschaftliche Bonität, ist gerade soweit gesunken, dass Du einen Level nach unten gerutscht bist. Das bedeutet: keine Fernreisen mehr, Ausgangssperre, eingeschränktes Konto, Zugangsbeschränkungen. Während Du schweißnass noch überlegst, was denn der Grund sein könnte, wird dieser auch schon per Messenger übermittelt: Du bist heute unachtsam einmal bei Rot über die Straße gelaufen. Zudem ergibt dein, während des Spaziergangs, aufgezeichnetes emotionales und physisches Verhalten – Neuroscans, Puls, Gestik, Mimik, Schrittgeschwindigkeit usw. – eine 87-prozentige Wahrscheinlichkeit für eine Straftat innerhalb der nächsten 6 Monate.”

Wenn das die Zukunft ist, hätte ich lieber Option 1. Aber vieles von dem Skizzierten ist heute in Grundzügen bereits angelegt. Ob Social Scoring, Überwachung, Priming, Werbealgorithmen …

Die anderen werden das schon machen

Unser Dilemma: Wie können wir das vermeiden? Von der Politik kommt nicht viel- ist sie doch viel zu sehr mit Systemerhalt beschäftigt. Und die Dinge, die man da zu regeln versucht, haben auf das Böse keine Auswirkung und gängeln dafür alle anderen – die DSGVO lässt grüßen. Konzerne fühlen sich auch mehr dem Shareholder-Value verpflichtet als dem Menschen – sei es Kunde oder Mitarbeiter. Da bleiben nur wir. Jeder Einzelne. Selbstständige. KMUs. Eltern. Nerds. Berater. Betreuer. Mitarbeiter. Mensch. Jeder bei sich, zu Hause, im Umfeld, im Kontext der Kollegen. Schritt für Schritt in eine positive Zukunft. Denn Veränderungen beginnen im Kleinen- mit uns!

Warum „Mach doch einfach“ oft so schwer ist

Erinnern Sie sich noch an meine Gedanken zum “Wollen wollen”? Es ging darum, eine Haltung und einen Kontext für Neues zu etablieren – zum Beispiel...

Weiterlesen

Utopien träumen

Ich bin Trekkie. Immer schon. Kirk war ok, aber ab Picard war ich voll dabei. Zusammen mit meiner Mutter habe ich Tage vorm TV verbracht und Janeway,...

Weiterlesen

3 Min. Lesezeit

Interview für die Reihe 'vorgestellt'

Der Hanser-Verlag hat mich zu meiner Motivation und zu Themen interviewt, die mir wichtig sind. Das Interview ist ursprünglich im Blog...

Weiterlesen