Der Testleiter schüttelt dem Entwicklungsleiter die Hand. Er ist entzückt, denn sie haben die Lösung für alle Probleme bei Entwicklung und Test, die ihr Unternehmen belasten, gefunden. Das, was sie heute bei dem Vortrag gehört haben, klingt verlockend: agile Entwicklungsprozesse. Gleich ist es auch beschlossene Sache. Ab Montag werden sie das Vorgehen ändern und Entwickler und Tester auf die neue Marschrichtung einschwören. Kein Gezeter mehr, dass Tester zu lange auf Software warten und dann zu wenig Zeit haben, zu testen. Sie testen ja jetzt laufend mit. Kein Gejammer mehr, dass die Software so unreif an den Test übergeben wird. Die Entwickler werden ja ab sofort Pair Programming und Test-Driven-Development praktizieren. Keine Streitereien über Fehler mehr, die werden jetzt jeden Tag kollegial im Team diskutiert. Und vielleicht kommt ja damit auch der “Flow” der früheren Tage zurück – als alles ohne Prozess viel effizienter und effektiver schien. Und die Vorteile der vielen Praktiken und Methoden sind ja so einleuchtend, da muss ja jeder im Team mitziehen.
…werden sie aber nicht – weil auch Tester und Entwickler nur Menschen sind. Die meisten sehen Veränderung zuerst skeptisch. Und der Wechsel in ein agiles Vorgehensmodell ist eine große Veränderung – vor allem wenn es vorher keines gab. So gibt es im agilen Vorgehen, z.B. in Scrum, “Prozessbestandteile”, die zum Teil strenger als in klassischen Modellen sind: z.B. Timeboxing oder die Definition of Done.
Dazu kommt, dass agiles Vorgehen viel mehr auf eine Eigenschaft fußt, die individueller kaum sein könnte: Das Mindset der einzelnen Mitarbeiter. Und das lässt sich nicht von heute auf morgen wie ein Schalter umschalten. Ein Tester, der jahrelang darauf gepocht hat, dass die Anforderungen – seine Testbasis – eindeutig, konsistent, umfassend und im Voraus bekannt sein müssen, wird sich in einem agilen Projekt vielleicht verloren fühlen, wenn ihn keine 200seitige Spezifikation erwartet, die er zur Testfallerstellung nutzen kann.
Damit der Wechsel also gelingt, muss vielmehr auf die einzelnen Tester und Entwickler eingegangen werden, um ihnen das “Aha-Erlebnis” zu ermöglichen, den Nutzen und die Vorteile in den agilen Methoden zu erkennen. Ich hatte in meinen Projekten immer wieder Mitarbeiter, die sich zuerst gesträubt haben, dann aber durch ihren Aha-Moment zu den Zugpferden der Methodik geworden sind. Doch da muss der Mitarbeiter hingeführt werden, manchmal auch sanft gestubst – und das kostet Energie und Zeit. (Eine schöne Aufgabe übrigens für den Testmanager, sollte der sich im agilen Team obsolet fühlen – denn er kennt seine Tester).
Ein paar Gedanken/Ideen, die für mich in Projekten erfolgreich waren:
Sicher gibt es noch zahlreiche andere Hebel – ich freue mich, Ihre zu hören!
Für mich sind bei Projekten die schönsten Momente, wenn die Teams und die vielen Methodiken und Best Practices der agilen Welt Stück-für-Stück “einrasten”. Da entsteht aus dem Team heraus ein “Flow”, der jede Iteration mit einem spannenden Review Meeting krönt. Dann machen auch mir Meetings wieder richtig Spaß.